Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Liebe Gemeinde!
„Du bist mir ein Buch mit sieben Siegeln!“ so hat schon mancher Mann über seine Frau gedacht, oder? – und sicher auch umgekehrt.
Oder: Die Mathematik ist mir ein Buch mit sieben Siegeln – das hört man aus dem Mund von vielen Konfirmanden und Jugendlichen.
Auch die Bibel ist für viele Menschen ein Buch mit sieben Siegeln und erst recht die Offenbarung des Johannes, das letzte Buch der Bibel. Es ist angefüllt mit seltsamen Bildern, die sich erst nach und nach dem Betrachter erschließen.
Vieles ist geheimnisvoll umschrieben und jedenfalls für uns heute nicht ohne weiteres verständlich.
Unser heutiger Predigttext entstammt eben diesem Buch der Offenbarung, Kapitel 5, und trägt in der Lutherbibel die bezeichnende Überschrift
Das Buch mit den sieben Siegeln.
Es ist ein recht langer Text – 14 Verse, aber er bildet eine Einheit, darum will ich ihn ganz verlesen und auslegen.
Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen versiegelt mit sieben Siegeln.
Und ich sah einen starken Engel, der rief mit lauter Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen?
Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen.
Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch aufzutun und hineinzusehen.
Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht!
Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel.
Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Gestalten und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet;
es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande.
Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß.
Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Gestalten und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm,
und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen,
und sie sangen ein neues Lied:
Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel;
denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen
und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden.
Und ich sah, und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Gestalten und um die Ältesten her, und ihre Zahl war vieltausendmal tausend; die sprachen mit großer Stimme:
Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.
Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen:
Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Und die vier Gestalten sprachen: Amen!
Und die Ältesten fielen nieder und beteten an.“
Johannes sieht sich dem lebendigen Gott gegenüber, dem, der auf dem Thron sitzt.
Ja, Er sitzt noch auf dem Thron, Gott hat nicht im Laufe der Kirchengeschichte abgedankt, Ihm ist nicht alles egal, weil Er vielleicht alt und müde geworden ist!
Nein, Er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit, und Er erhebt Anspruch auf seine Schöpfung!
Er hat seine Welt und seine Menschen nicht aufgegeben!
In seiner rechten Hand hält er nun das Buch mit den sieben Siegeln.
Eine wichtige Botschaft muss es sein. Umfangreich und wertvoll, bestätigt und versiegelt mit sieben amtlichen Hoheitszeichen.
Dieses Buch enthält das Geheimnis der Weltgeschichte – das erfahren wir in den folgenden Kapiteln der Offenbarung.
In ihm ist aufgeschrieben, was in der kommenden Zeit passieren soll.
Aber das Buch ist eben mit sieben Siegeln verschlossen.
Die heilige Siebenzahl deutet auf die Vollkommenheit.
Diese sieben Siegel schützen ein ganz besonders großes Geheimnis.
In diesem Buch geht es um die Frage, ob es noch Hoffnung für diese Welt gibt und es geht um die Frage, wer die Macht hat, sogar den Tod zu überwinden und unvergängliches Leben ans Licht zu bringen.
Und nun – so beginnt im Himmel eine Suchaktion.
Ein starker Engel ruft mit lauter Stimme: “Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen?”
Hier wird öffentlich der Eine gesucht, der würdig ist, Autorität zu bekommen; der würdig ist, weil seine Gerechtigkeit dem Urteil Gottes standhält.
Wo ist einer, der wirklich gut und gerecht ist?
Und es wird gesucht und gesucht. In der Engelwelt. Bei den Menschen.
Die Liste mit den Namen der Mächtigen, Reichen und Schönen dieser Welt wird rauf und runter durchforstet.
So mancher hat ein Denkmal bekommen. Und so mancher würde sich gerne anbieten. Aber nein, keiner ist würdig.
Das erschreckende Ergebnis lautet:
“Und niemand im Himmel noch auf der Erde noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hinein sehen!”
Johannes ist erschüttert, Verzweiflung packt ihn.
“Er weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde.”
Die Welt geht vor die Hunde, und da gibt es eine mächtige, eine vollmächtige Nachricht - aber keiner kann sie öffnen. Johannes weint bitterliche salzige Tränen.
Und Seine Tränen von damals haben den gleichen salzigen Geschmack
wie die Tränen des Patienten, der eine schlimme Diagnose mitgeteilt bekommen hat,
oder wie die Tränen der Eheleute, die vor den Trümmern ihrer Beziehung stehen,
oder wie die Tränen von Menschen, die von sich selbst enttäuscht sind.
oder wie die Tränen derer, die Verantwortung für andere tragen und merken, dass sie es nicht schaffen, dieser Verantwortung gerecht zu werden,
oder wie die Tränen der Trauernden, die sich schmerzlich an den Verlust eines lieben Menschen erinnern.
Johannes´ Tränen haben den gleichen salzigen Geschmack unserer Tränen, wenn wir fragen: “Gibt es denn keinen, der unser Schicksal wenden kann, der endlich Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit schaffen kann?”
Und dann wird Johannes plötzlich angesprochen. Einer der Ältesten, die um den Thron Gottes sind, kommt zu ihm und spricht ihm zu: “Weine nicht!” Siehe, einer hat alles überwunden.
“Johannes, es gibt Hoffnung, der eine, um den es geht, der ist schon gefunden. Gott selber ist erschienen.
Weine nicht! Denn da ist einer, der schon überwunden hat!“
Und diese tröstende Botschaft gilt auch uns: „Weine nicht!“
Weine nicht, es gibt einen, der Deine Geschichte kennt.
Es gibt einen, der, weil er der Überwinder ist, auch Deine Situation ändern kann!”
Ich habe es schon selbst erlebt, wie das ist, von Gott angesprochen und getröstet zu werden, und ich ahne, welche Erleichterung Johannes gespürt haben muss.
Es tut gut, sich in die Arme Gottes fallen zu lassen – wie ein Kind.
Gott will unsere Tränen abwischen und er tut das oft, indem er uns einen Menschen sendet, der uns tröstet und auf den Gott allen Trostes verweisen kann.
Auch Johannes tröstet sich nicht selber, er bekommt den Trost zugesprochen. So brauchen auch wir einander als Gemeinde, um uns das Evangelium, den Zuspruch Gottes, zu sagen.
Das Wort Gottes muss ich mir oftmals von anderen sagen lassen.
Und wenn ich diese Botschaft in meinem Herzen ankommen lasse,
dann kann ich freudig Advent feiern mitten in einer zerrissenen und unerklärlichen Welt. – mit offenen Fragen und Sehnsüchten im Herzen.
Denn es gibt einen, der hat überwunden.
Deshalb ist das Leid der Welt bei ihm gut aufgehoben.
Und auch meine ganz persönlichen Sorgen und Probleme darf ich ihm sagen.
Weil er die Welt überwunden hat, weil er Not und Tod am eigenen Leib erfahren hat,
auch wenn manches für mich ein „Buch mit sieben Siegeln“ bleibt:
„Weine nicht – einer hat überwunden.“
Wer dieser Überwinder ist, sagt der Älteste auch – und er gebraucht dabei ein für uns nicht gleich verständliches Tierbild, das aber Johannes sehr bekannt war:
“Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel.” (V. 5)
“Der Löwe aus dem Stamm Juda” – so nannten die Juden den verheißenen Messias - den von Gott versprochenen Retter.
So warteten die Menschen auch damals zur Zeit Jesu auf einen mächtigen König als Retter…
Stattdessen kommt Jesus auf einem Esel und wird gekreuzigt.
Johannes blickt auf – und er sieht mitten im Thronsaal etwas,
was eigentlich nicht zu erwarten war, nein, da steht kein Löwe,
sondern alle Augen, alle Herzen sind ausgerichtet...
...auf ein Lamm.
Es steht da, die tiefe, klaffende Wunde am Hals macht deutlich,
dass es geschlachtet worden ist als Opfer.
Kein Raubtier, kein König der Tiere, sondern ein geopfertes Lamm. (Pause)
Ein Lamm mit einer tödlichen Verletzung, doch seine sieben Hörner symbolisieren unendliche Macht, die Allmacht Gottes!
Und seine sieben Augen symbolisieren die Allwissenheit Gottes!
Johannes weiß, wer da im Mittelpunkt des Himmelsgeschehens steht, denn er weiß, was Johannes der Täufer über Jesus gesagt hat, als der ihm zum ersten Mal begegnete:
“Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!” (Joh 1, 29)
Johannes weiß und versteht: Ja, Jesus Christus, der gekreuzigte und auferstandene Sohn Gottes – Er ist würdig, die Bevollmächtigungsschrift zu nehmen, die Siegel zu brechen
und in Kraft zu setzen, was Gott in seiner Weisheit und Liebe beschlossen hat.
Das Kind in der Krippe, der Gekreuzigte von Golgatha - das ist der „Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich“, so wie wir es im Advent häufig singen.
Im geopferten Lamm erblickt Johannes Jesus, der für uns gelitten hat und das nur tun konnte, weil er ganz auf die Seite Gottes gehört.
Scheinbar schwach wie ein Lamm aber in Wahrheit mächtig wie ein Löwe.
So ist auch das Kreuz nicht ein Zeichen der Niederlage, sondern des Sieges über die Sünde, den Tod und das Böse.
Dieser Eine ist würdig, das Buch mit den Sieben Siegeln zu öffnen und Gottes Regierung zu übernehmen.
Dieser eine kann auch Deine Geschichte in seine guten Hände nehmen:
„Gott kennt dein Gestern – gib ihm dein heute – er sorgt für dein Morgen!“
(Pastor Ernst Mosersohn)
Und wer dass erlebt, der muss Gott loben!
Und als das Lamm das Buch nimmt, da wird ein neues Lied gesungen, dass beschreibt und bestaunt, was dieses Lamm für uns und für alle Menschen erkämpft hat. Es verdichtet sich alles zu einem großartigen Lobpreis auf Gott und auf Jesus Christus:
„Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.“ (Offb 5,12)
Hier stimmen alle Menschen, alle Wesen im Himmel und Erden, ja die gesamte Schöpfung ein in das große Rühmen Gottes.
Sie singen ein neues Lied. So wie es verheißen ist für das Ende der Zeiten…
Zum Schluss möchte ich noch mit Euch auf die Wirkung dieser Vision des Johannes schauen:
Die Gemeinden, denen der Apostel Johannes diese Eindrücke zuerst schrieb, sie ließen sich anstecken von dieser Bewegung der Anbetung.
Sie lobten Gott, obwohl sie für ihren Glauben leiden und zum Teil sterben mussten.
Sie ließen sich ermutigen zu fröhlichem Glauben und offenem Bekenntnis zu ihrem Gott und Retter. Sie lebten aus ganzem Herzen für ihren Gott und nahmen dafür auch Nachteile und Unterdrückung in Kauf.
Und wir? Wie reagieren wir auf die Botschaft
„Weine nicht – einer hat überwunden“?
Ich habe 3 Wünsche: Ich wünsche mir, dass wir uns anstecken lassen von diesem Lob der frühen Christen und von diesem eindeutigen Bekenntnis zu Gott. Ich wünsche mir, dass wir diese wunderbare Botschaft nicht für uns behalten und mit 7 Siegeln versiegeln, sondern vielen Freunden, Bekannten und Nachbarn davon erzählen und sie in die Gemeinde einladen.
Ich wünsche mir, dass wir uns von diesem Jesus immer wieder die Tränen trocknen lassen und dadurch fähig werden, die Tränen in dieser Welt zu bekämpfen.
Und zwar mit der Botschaft der Bibel, die nicht mit 7 Siegeln verschlossen ist, sondern die einfach und einleuchtend ist: (Luther: helle Stellen lesen!)
Gott selbst ist in Jesus zu uns gekommen.
Deshalb feiern wir heute Advent – die Ankunft Gottes bei den Menschen - das Fest der Hoffnung für diese Welt und für mein eigenes Leben.
Das sollten wir den Menschen, mit denen wir leben nicht vorenthalten.
Denn Gott will auch bei ihnen ankommen.
Dann ist wirklich Advent – wenn Gott bei uns ankommt!
Ich schließe mit dem Lobpreis der ganzen Schöpfung und lade ein, innerlich mit einzustimmen:
Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! (Offb. 5,13)
Amen.
Lasst uns beten…