Apostel Harburg

Ich lebe und Ihr sollt auch leben

(Joh. 14, 19 - Predigt zur Jahreslosung 2008)



Predigt

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen.

Liebe Gemeinde,
es ist verrückt! Da gibt es einen Mann, der ist unglaublich erfolgreich, jeder will ihn hören, sehen, anfassen vielleicht,
er ist berühmt obwohl er ein ganz unscheinbares Leben führt.
Er ist berühmt, nicht weil er eine großartige Erfindung gemacht hat, oder weil er besonders schön wäre, er ist kein Leinwandheld,
kein Fernsehkoch, kein schneidiger Intellektueller, kein Schlagersänger.

Er ist auch nicht Jesus – könnte man ja leicht denken in der Kirche...

Er ist Mönch und heißt Bruder Martin. Es ist Martin Luther.
Er ist berühmt, weil er etwas hinausposaunt, was die Welt zu seiner Zeit (- und doch auch bis heute immer wieder) nötig hat:
Gott liebt dich, ist dir gnädig, egal wer du bist, wie du bist, was du getan hast. Gott ist da für dich!

Das tut er mit so einer Durchsetzungskraft, mit himmlischer Vollmacht, dass er damit die Kirche seiner Zeit revolutioniert, in Deutschland, in Europa, es schlägt sogar Wellen in die ganze Welt hinein.

Es ist verrückt. Genau derselbe erfolgreiche Mann hat ein lebenslanges Leiden.
Das, was er da über Gott sagt, ist ihm selbst zu groß und wunderbar.
Er kann das gar nicht fassen. Er ist längst nicht immer ein Glaubensheld. Er kennt Momente in seinem Leben, da verzehrt er sich fast vor Glaubenszweifeln, hat unbeschreibliche Ängste und Nöte, leidet unsäglich unter dem Hass, der ihm von manchen Leuten entgegenschlägt, auch leidet er unter vielen Enttäuschungen, die er trotz allem hinnehmen muss.

Aber er hat Glück: er hat eine kluge und umsichtige Frau an seiner Seite: (das ist sehr viel wert – ich weiß wovon ich spreche…J)
Bei Luther jedenfalls ist das Katharina Luther, geb. von Bora.

Sie kennt Luthers „Erfolg“, aber sie kennt auch sein Leiden unter seinen Ängsten und Zweifeln. Und sie handelt. Sie bestellt einen Steinmetzmeister und bittet ihn an ihrem Haus einen neuen Torbogen einzusetzen. Dort lässt sie in einen Stein ein Wort hineinmeißeln:

VIVIT – das ist lateinisch, VIVIT bedeutet: ER LEBT!

Von nun an konnte Martin nicht mehr das Haus verlassen oder betreten, ohne daran erinnert zu werden: GOTT LEBT!

Diese Aussage sollte ihn und alle Gäste des Hauses verabschieden und begrüßen: GOTT LEBT.

Vergiss das nicht Martin, vergiss das nicht Mensch, dass du an einen Gott glaubst, der lebendig ist, der gerade in unserer Schwachheit stark ist, dessen Lebensmacht ungebrochen ist!

Wie der Gruß dieses Torbogens „vivit“ - er lebt! – so steht über diesem Jahr die Jahreslosung mit dem Ausspruch Jesu aus dem Johannesevangelium (14,19): ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN! (2x)

Direkt aus dem Munde Jesu: „Ich Lebe“ und uns mit einbeziehend: „ihr sollt auch leben!“ – die Jahreslosung ist noch direkter und fordernder als Zuspruch über der Tür von Luthers Zuhause.

Diese Jahreslosung kann uns wie für Ehepaar Luther und deren Gäste ein echter Hingucker sein, ein Torbogen für das neue Jahr:
ein Torbogen, der uns das Leben neu erschließt!

ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN!
Dieser Satz Jesu fällt gegenüber den Jüngern in einer Abschiedssituation. Bei seinem Abschied redet er also vom LEBEN. Jesus hat sich mit seinen engsten Freunden für eine Weile zurückgezogen und will sie vorbereiten auf eine neue Zeit.
Auf die Zeit, die kommt und die seinen Tod bringen wird.
Der Tod Jesu, ist jedoch nicht das Letzte, was im Leben Jesu passiert.
Der Tod ist erst der Auftakt. Der Auftakt dazu, dass das größte Ereignis passiert, das die Welt je gesehen hat.
Denn Jesus bleibt nicht im Grab, er besiegt den Tod, er ist der Auferstandene. Gott ruft ihn aus dem Tod ins Leben. Vivit - Jesus lebt!

Deswegen kann Jesus schon vor Ostern sagen: ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN!
Dieser Satz beinhaltet für mich 2 wichtige Aussagen über das Leben hier und über das ewige Leben, auf die ich eingehen möchte:




ICH LEBE und IHR SOLLT AUCH LEBEN!





Dass Jesus lebt hat auch Auswirkungen für uns. Es bedeutet für uns eine andere LebensQUANTITÄT – Lebenslänge!

Jesus „lehrt“ nicht viel über die genauen Umstände der Aufstehung und über das ewige Leben, wie es konkret aussieht.
Er beschreibt es in Bildern, die uns etwas ahnen lassen von der Schönheit des Lebens bei ihm, und er macht noch etwas viel besseres: er bietet uns an, an diesem Leben selbst Anteil zu haben!

Er bietet uns an, an seiner Hand durch das Leben zu gehen und darüber hinaus, das ewige Leben, was er für uns errungen hat, auch selbst zu ergreifen.
Er sagt selbst an anderer Stelle noch konkreter: Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird Leben auch wenn er stirbt.

Jesus sagt: Was ich habe, das sollst du auch bekommen. Was ich habe, das kannst du auch ergreifen und dich daran festhalten, es soll dein sein.

Was mein ist, ist dein. Wenn ich nicht im Tode bleibe, dann sollst du das auch nicht. Jesus gibt uns Anteil.
Ich vergleiche das mal mit anderen berühmten Persönlichkeiten:

Franz Beckenbauer könnte nach seiner fußballerischen Karriere sicher sagen: Ich bin der Fußball. Ich verkörpere alles, was guten Fußball ausmacht.
Eric Clapton, der Mann der das Instrument mit den 6 Seiten perfekt beherrscht, könnte von sich sagen: ich bin die Gitarre in Person.
Und Reinhold Messner, der kühne Abenteurer, könnte sagen: ich bin das personifizierte Bergsteigen.

So sehr verbindet sich mit diesen Namen alles Gute und Große, das mit ihren Künsten in Zusammenhang steht. So überragend ist das, was diese Menschen geleistet haben.
Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied zu Jesus: diese berühmten Personen haben dies alles nur für sich geleistet.
Wir können ihnen dabei zusehen, sie bewundern, und das tun wir gerne, es unterhält und macht Spaß. Aber wir werden nie wirklich Anteil an dem bekommen, was diese Menschen sind und haben.

Wenn Jesus sagt: Ich lebe und ihr sollt auch leben, dann meint er es so. Ich lebe, weil ich die Auferstehung und das Leben bin,
aber ich bin es eben nicht nur für mich, ich bin es für dich.
Was ich habe sollst du auch haben. Es soll dein sein!
Denn: Was Jesus bringt, was er ist, das ist er immer zuerst für andere, für uns Menschen, für dich und für mich.

Leben über den Tod hinaus, das ewige Leben: das ist eine gewaltige Hoffnung, mit der wir Christen leben dürfen.
Mein und Ihr Sterben ist nicht der Schlusspfiff im Spiel des Lebens, ganz im Gegenteil: Das, was nach dem Tod kommt wird in der Bibel mit einem Sieg verglichen.

Wir sind dann nicht am Ende, sondern am Ziel angelangt: das Beste kommt zum Schluss, weil wir dann bei Gott sind.
Ganz am Ende des irdischen Lebens, kommt das Leben bei Gott in ungeahnter und unvorstellbarer Qualität.

Der Fußballer Ze Roberto vom FC Bayern München sagt es so: „Heute schon ist Gott bei mir, aber morgen, da werde ich an einem noch viel schönerem Ort sein.“

Ich habe diese Hoffnung eigentlich erst nach dem Konfirmandenunterricht das erste Mal bewusst gehört, obwohl ich diese Sehnsucht nach Ewigkeit schon vorher in mir spürte.
Als Kind und als Jugendlicher fand ich den Gedanken schrecklich, das das Leben hier auf der Erde alles sein könnte.
Danach ist einfach alles aus Nichts geht mehr!
Schrecklich.

So sagt auch Paulus: Ohne die Auferstehung Jesu wäre die Predigt sinnlos und auch der ganze Glaube.
Jesu Auferstehung ist der Grund für unseren lebendigen Glauben und für unsere Hoffnung im Leben und im Sterben.

Und das Wort Jesu,
ich bin die Aufstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt, gibt mir viel Kraft und Hoffnung für die lieben Menschen, die ich auch schon verloren habe.
Und auf jeder Beerdigung, die ich halte, halte ich mich daran fest!
Es ist das Wort, was ich immer am Grab voranstelle – darin liegt meine ganze Hoffnung für mich und alle Menschen.

ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN!
Die Jahreslosung ist ein Trost im Blick auf das Ende
des Lebens! Das ist das eine.




Aber das: ICH LEBE und IHR SOLLT AUCH LEBEN!





Das fängt ja jetzt auch schon, hier in diesem Leben.
Weil Jesus lebt, jetzt, mitten unter uns, soll das nicht nur Auswirkungen auf unsere Lebensquantität haben, die Lebenslänge, sondern: auch auf unsere LebensQUALITÄT.
Auf, das was unser Leben lebenswert macht.
Jesus will unserem Leben im Hier und Jetzt einen unvergleichlichen, einmaligen Wert geben!

ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN!
Das ist ein Widerspruch an alle, die glauben, dass wenn Gott ins Spiel kommt alles total langweilig wird, weil es um viele Verbote geht und Gott einem stetig auf die Finger sieht.

Nein! Darum geht es nicht im christlichen Glauben!
Jesus wünscht uns ein glückliches, zufriedenes Leben mit allen Facetten. Das wird besonders im Johannesevangelium betont, aus dem diese Jahreslosung kommt.

Eine der ersten Geschichten bei Johannes ist eine Hochzeit, auf der Jesus zu Gast ist, so wie wir das auch aus unserem Alltag kennen, er ist auf einer Feier, und: er sorgt dafür, dass der Wein nicht ausgeht.

Was brauchen wir zum Leben?
Eigentlich braucht man gar nicht so viel, oder: Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf.

Wenn man genauer hinsieht, fällt mir aber noch mehr ein.
Ich brauche auch: eine Arbeit, Menschen, die mich lieben, die ich lieben kann, ich brauche Gründe zum Lachen, manchmal eine Schulter zum Weinen, ich brauche eine gemütliche Ecke, ein fesselndes Buch oder einen tollen Film, ich brauche intensiv erlebte Momente und ich brauche auch Stunden, in denen ich das Nichtstun genieße und als Grundlage brauche ich einen Sinn und eine Perspektive für mein Leben…

Was gehört für Sie zur Lebensqualität? Wir können uns nach dem Gottesdienst ja mal darüber unterhalten.

Wir brauchen eine ganze Menge, um glücklich zu leben – auch Dinge, die nicht unmittelbar mit dem Glauben zu tun haben – ist das OK für Gott?
Was würde Jesus dazu sagen?

Ich könnte mir vorstellen, dass er folgendes sagen würde:
„Du, ich mag dich sehr und du sollst leben,
auch so wie du es persönlich brauchst,
wie es dir gut tut.
Das ist gut so und Du darfst das Leben auch genießen.“

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir einerseits nicht egoistisch durchs Leben gehen, dass wir auch unseren Nächsten sehen,
aber andererseits auch uns selber lieben.
So heißt es ja im Doppelgebot der Liebe:
Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!
Es geht immer wieder darum, dass diese Liebe im rechten Verhältnis zueinander steht. Die Liebe zu mir und die Liebe zum Nächsten bedingen sich und erfüllen mein Leben!

Kennen Sie die charmant provozierende Frage, die der schwedische Möbelkonzern IKEA in seiner Werbung stellt?
Sie lautet: „Wohnst du noch oder lebst du schon?“

Es ist eine Frage, die ein Mehr an Lebensqualität anspricht, das es offenbar gibt: Wohnst du noch oder lebst du schon?

Und genau darum geht es Jesus eigentlich auch.
Jesus hat einmal gesagt: Ich bin gekommen, damit die Menschen das Leben und volle Genüge haben sollen“ (Joh 10,10).
Wir sollen ein Leben in Fülle haben, nicht nur auf diesem Planeten wohnen.
Wir sollen ein Leben führen, das uns zutiefst erfüllt, das Sinn gibt, das uns zufrieden macht, ein Leben in dem wir stehen können, auch dann wenn uns durch schwere Erfahrungen der Boden unter den Füßen weggleitet. Das ist ein Leben mit Qualität, das Jesus uns schenken will wenn er sagt:

ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN!
Aber wie kann ich das bekommen?
Ich bekomme dieses Leben durch den Heiligen Geist.
In der Lesung, die wir vorhin gehört haben, da sagt Jesus an einer Stelle:
Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen, also ihr sollt nicht sein, wie Kinder ohne Eltern, ihr sollt nicht allein sein: ich will Euch jemanden an die Seite stellen! Und zwar den Heiligen Geist.

Der Heilige Geist, das ist die erfahrbare Seite Gottes, es ist im Grunde kein Fremder, denn er ist niemand anders als Jesus selbst, nur auf andere Weise. Unsichtbar, aber spürbar.
Er will dein Tröster sein, er ist dein Helfer mitten im Leben, er ist der Beistand an deiner Seite, der da ist, wenn es schwer wird und der alles Gute mit dir teilen möchte.

ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN….
Und zwar: Ein besonderes, ein erfülltes Leben, das euch stark macht, das euch Sinn gibt. Dazu schicke ich euch meinen Heiligen Geist, dass er in euren Herzen wohne.

Diesen Heiligen Geist kann man so erfahren, als wenn Jesus neben uns sein würde.




Wenn ich in der Bibel lese, dann passiert es immer mal wieder, das mich ein Wort besonders anspricht, mir etwas wichtig macht, mich korrigiert oder ermutigt – das ist ganz unterschiedlich.





Oder manchmal spüre ich es, dass der Heilige Geist mich bewegen will, zB jemanden der das gerade braucht etwas Freundliches zu sagen.

Oder manchmal, da gibt es Momente wenn ich bete, da weiß ich mich ganz besonders bei Gott geborgen, da spüre ich richtig, er ist jetzt in diesem Augenblick für mich da ….

Eine besondere Qualität unseres Lebens, die wir geschenkt bekommen, weil Jesus lebt.
Eine schöne Jahreslosung, oder?

ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN!
Ich wünsch uns ein Lebensjahr 2008, in dem wir uns durch diese Jahreslosung stärken lassen. Immer wieder im Laufe des Jahres.

Wir können auf Jesu Wort hin darauf vertrauen, dass er uns ewiges Leben schenken will, Leben über den Tod hinaus.
Und außerdem werden wir - wenn wir unser Herz für Jesus öffnen - schon jetzt erfahren, dass er lebt.

Er will unsere Herzen stärken und trösten, uns leiten, auch schon in diesem irdischen Leben.
ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN!
Amen.