Liebe Gemeinde,
Horst Köhler sagte in seiner Rücktrittsrede in der vergangenen Woche: „Es war mir eine Ehre, Deutschland zu dienen. Politiker sollen dem Staat dienen – dafür werden sie bezahlt. Ebenso wie die Soldaten, die bei der Bundeswehr ihren Dienst tun oder die (Zivil-dienst-leistenden). Und auch in der Kirche haben wir sogenannte Dienste und Werke – im Krankenhaus gibt es Spät und Früh-Dienste und mein Vater hat auch immer gesagt, das er im Dienst ist, wenn er bei der Arbeit in der Baubehörde war. Das Wort Dienen kommt also häufig vor in unserer Welt.
Aber ich meine, Dienen ist nicht wirklich „in“. Die Botschaft unserer Zeit lautet doch eher: „Hab Spaß! Erfüll Dir Deine Wünsche! Still deinen Appetit! Stürz Dich ins Vergnügen! Es geht nur um Dich – verwirkliche Dich selbst!“ Auch in Apostel haben wir darauf reagiert. Das frühere „DIENST-Seminar“ heißt jetzt: Gabenseminar: „Entfalte Dein Potential“ – klingt doch eingängiger, oder? ;-)
Für Jesus war sein ganzes Leben hier auf der Erde ein Dienen. Er hat einmal gesagt: „Ich bin nicht gekommen, um mir dienen zu lassen, sondern um zu dienen und mein Leben als Lösegeld für viele zu geben (Mk 10,45). Und im Philipperbrief Kapitel 2 steht geschrieben: „Jesus entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode – ja zu Tode am Kreuz.“ Was bedeutet es diesem dienenden Jesus nachzufolgen, wozu wir als Christen ja berufen sind?
Das wird sehr schön deutlich an der Geschichte von der Fußwaschung, die wir vorhin in der Lesung gehört haben. Ich will Sie noch einmal mit Ihnen und Euch nachvollziehen und bedenken.
Johannes 13
Jesus war mit seinen Jüngern bei einem Bekannten zum Abendessen eingeladen.
In der damaligen Zeit waren die Menschen meist in offenen Sandalen auf staubigen Straßen unterwegs, und zum Essen ließen sie sich auf flachen Liegen nieder, die Füße in Sichtweite der anderen Gäste. 😄
Die guten Sitten erforderten es daher, dass ein Diener gleich an der Tür bereit stand, um den Gästen die schmutzigen Füße zu waschen.
Doch bei der Einladung ging etwas schief! Der Diener tauchte nicht auf!
Stellen Sie sich vor, Sie würden diese Szene durchs Fenster beobachten:
Der erste Jünger betritt den Raum und stellt fest, dass kein Diener zum Füße waschen bereit steht. Er muss sich entscheiden: Wäscht er seine Füße selbst? Wäscht er allen anderen die Füße?
Er denkt: „Oh nein, nicht ich! Das ist wirklich nicht meine Aufgabe als einer aus dem 12er-Kreis der Jünger.“ Stattdessen überlegt er nun wo Jesus wohl sitzen wird und setzte sich auf eine Liege unmittelbar in seiner Nähe.
Der zweite Jünger kommt herein. Auch er sieht keinen Diener. Er sieht den ersten Jünger und denkt: „Na, wenn der sich nicht herablässt, den Fußwascher zu spielen, dann werde ich es bestimmt nicht tun“ und er setzt sich auf den zweitbesten Platz am Tisch.
Und so läuft es nacheinander bei allen anderen Jüngern. Sie setzen sich und strecken sich die schmutzigen Füße ins Gesicht.
Als letzter betritt Jesus den Raum. Er sieht die Schmutzfüße der Jünger und schaut ihnen in die Augen.
Er geht zum Tisch und setzt sich hin. Alle sitzen schweigend da – niemand bewegt sich.
Dann plötzlich steht Jesus auf und legt seinen Umhang ab. Er nimmt das Handtuch genau so wie es ein Diener machen würde. Dann nimmt er die Schüssel mit Wasser und bewegt sich auf den Tisch zu.
Die Jünger starren ungläubig und peinlich berührt auf Jesus. Als er sich hinkniet und dem ersten Jünger die Füße wäscht, füllen sich Ihre Augen mit Tränen der Reue. Sie denken vielleicht:
„Was ist nur mit mir los? Wie konnte ich nur so dumm sein? Immer noch dreht sich alles nur um mich. Es ist schon schlimm genug, dass ich nicht genügend Demut habe, um meinen Brüdern die Füße zu waschen. Aber warum habe ich nicht einmal meinem Herrn angeboten, seine Füße zu waschen? Was ist nur los mit mir?“
Und Jesus arbeitet sich vor. Fuß um Fuß.
Petrus sträubt sich dagegen, aber Jesus erklärt ihm, dass es sein muss, damit er Anteil an Jesus und an Gott hat.
Als Jesus fertig ist, zieht er sein Obergewand wieder an und kehrt zu seinem Platz am Tisch zurück.
Dann sagt er zu seinen Jüngern:
„Begreift ihr, was ich eben getan habe?
Ihr nennt mich Lehrer und Herr. Ihr habt Recht, das bin ich.
Ich bin euer Herr und Lehrer, und doch habe ich euch soeben die Füße gewaschen.
So sollt auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen.
Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Das wisst ihr jetzt; freuen dürft ihr euch, wenn ihr auch danach handelt!“
Dienen wie Jesus – das ist der Auftrag Jesu an alle seine Jüngerinnen und Jünger.
Und dieser Auftrag zum Dienen entspringt dem Zentrum des christlichen Glaubens: der Liebe.
Paulus sagt: „Durch die Liebe diene einer dem anderen“ (Gal 5,13)
Aber „Dienen“ – das ist nicht jedermanns Sache, oder?
Es gibt doch schließlich auch speziell die Gabe des Dienens – die hat doch nicht jeder, oder?
Diese Gabe gibt es tatsächlich und sie wird im Gabenseminar so beschrieben:
„Diese besondere Gabe des Dienens, die Gott einem Teil aller Christen gibt, befähigt Christen, zu erkennen, wo etwas erledigt werden muss, und sich selbst zur Mitarbeit zur Verfügung zu stellen.“ (C. Schwarz). Jede Gruppe profitiert enorm von Menschen, die diese Gabe haben und praktizieren.
Und so hat es sich Gott ja schließlich auch gedacht: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er von Gott empfangen hat“ (1. Petr 4, 10).
Es gibt Menschen, denen fällt es einfach sehr leicht zu dienen – es ist ihre besondere Gabe.
Aber
Das Dienen ist auch eine sog. Universalgabe:
D. h. jeder Christ ist aufgerufen zu dienen und so geistlich in der Liebe zu wachsen. Jede und jeder von uns ist herausgefordert, Jesus darin nachzufolgen und das Reich Gottes so auszubreiten.
Dieses Dienen ist eine geistliche Übung, die wir als Christen trainieren können und sollen.
Das Ziel dieses Trainings ist ein auf Gott ausgerichtetes Herz, um von der ICH-Bezogenheit wegzukommen hin zum Füreinander-da-sein! Das ist Gottes Traum von Kirche.
Ein Vorbild ist darin sicher der Apostel Paulus, ein Diener von Jesus Christus (so hat er sich immer wieder im Briefanfang vorgestellt)
Paulus sagte einmal von sich: „Obwohl ich allen gegenüber frei bin, habe ich mich zum selbst zum Diener aller gemacht.“ (2. Kor 4,5).
Oder: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als Eure Diener um Jesu willen.“
Und er ruft die Gemeinde auf ihm zu folgen: „Handelt nicht aus Selbstsucht oder Eitelkeit! Seid bescheiden und achtet den Bruder oder die Schwester mehr als euch selbst. Denkt nicht an euren eigenen Vorteil, sondern an den der anderen, jeder und jede von euch! Habt im Umgang miteinander stets vor Augen, was für einen Maßstab Jesus Christus gesetzt hat.“ (Phil 2)
Es gibt auch viele Vorbilder bei uns in der Gemeinde: In verschiedenen Bereichen – überall in der Gemeinde.
Besonders häufig findet man diese Dienenden bei: Handwerklichen Arbeiten, Gästebetreuung, Raumpflege, Abwaschen, Kochen, Fahrdiensten, Kinderbetreuung etc.
Ich habe mir für diese Predigt einmal Gedanken gemacht wodurch das christliche Dienen gekennzeichnet ist?
Ich kam dabei auf 7 Kennzeichen:
- Christliches Dienen ist Dienen mit Freude (Dient dem Herrn mit Freude – sagt der Psalmist in Psalm 100,2) – das bedeute natürlich nicht, dass Dienen immer Spaß macht oder einfach ist, aber Dienen als Reaktion auf Gottes Berufung und seinen Dienst an uns verändert letztlich immer unser Leben zum Besseren und führt zur Freude.
- Christliches Dienen kalkuliert das Ergebnis und die Außenwirkung nicht. Ich diene nicht, um anderen zu imponieren. Ich diene Freunden und Feinden - nicht nur den Hochgestellten und Mächtigen! Jesus sagt, wir sollen ein Diener „aller“ sein. Wir können in jedem Menschen etwas Liebenswertes entdecken.
- Christliches Dienen hat in erster Linie die Not im Blick, die gelindert werden soll.
- Christliches Dienen ist ein Lebensstil – es wird keine Gegenleistung oder Anerkennung erwartet – obwohl das Bedürfnis nach Anerkennung natürlich in gewissem Maße gesund ist!!!
- Ein Christlicher Diener hält manchmal einfach den Mund (großer Dienst!) 😄 - ein Diener beteiligt sich nicht an Klatsch und Tratsch und redet nicht unbedacht über andere.
- Ein Pastor hat einmal gesagt: „Es ist manchmal schon ein Sieg für das Reich Gottes, wenn wir den Mund halten!“
- Ein wahrer Diener nimmt sich selbst nicht so ernst:
- Papst Johannes XXIII. Erzählte einmal, dass von Zeit zu Zeit ein Engel an seinem Bett erscheinen würde, der zu ihm sagt:„Hey, Johannes, nimm Dich nicht so ernst!“
- Ein christlicher Diener lässt sich selber von anderen und Gott dienen (sonst brennt man aus oder hat eine Helfersyndrom). Ein gesunder Diener sorgt auch für sich selber und vernachlässigt sich nicht.
- Denn wahre christliche Diener wissen um Ihren unschätzbar hohen Selbstwert. Sie kennen ihre Stärken und Schwächen und können sich so annehmen wie sie sind – sie ruhen in Gott.
„Aber“, werden einige gedanklich einwenden
„es gibt doch auch Gefahren beim Dienen“:
Zum Beispiel die Gefahr ausgenutzt zu werden oder sich selbst zu vernachlässigen.
Oder wenn ich alles mache, dann haben die anderen ja gar nicht mehr die Möglichkeit zu dienen und sie werden am Ende ganz unselbständig.
Ja, diese Gefahren gibt es, aber:
Ich habe von einem interessanten Test gelesen (Vgl. Hybels, Bill. Die Mitarbeiterrevolution), mit dem ich antworten möchte, der Mut Macht, das Wagnis des Dienens einzugehen:
Leben Sie einfach mal sechs Monate lang zum Test konsequent nach diesem Dienstprinzip und folgen Sie dem Vorbild Jesu. Ergreifen Sie jede Möglichkeit, das Handtuch zu nehmen, um zu dienen – auch wenn die Aufgabe unbedeutend erscheint.
Halten Sie anderen die Tür auf – bringen sie den Müll raus – melden Sie sich freiwillig in der Gemeinde und fragen sie nach, ob sie irgendwo helfen können – helfen Sie Menschen beim Einkaufen, wenn Sie merken, dass jemand vielleicht Hilfe braucht. Dienen Sie zuhause und unterwegs - machen Sie die Augen auf und halten Sie innerlich das Handtuch bereit.
Und dann überprüfen Sie mal jede Woche den Zustand ihres Herzens und fragen Sie sich: „Habe ich gewonnen oder verloren?“
Und wenn Sie dann noch nicht überzeugt sind, dann versuchen Sie mal das Gegenteil eine Zeit lang – aber bitte keine 6 Monate J:
Nutzen Sie jede Möglichkeit, sich in den Mittelpunkt zu rücken. Verlangen Sie von der Welt, dass sie sich nur um Sie dreht. Kämpfen Sie sich mit den Ellenbogen nach vorne. Werfen Sie das Handtuch weg! Verschwinden Sie schnell, wenn es ans Aufräumen oder Abspülen geht.
Verneigen Sie sich jeden Morgen vor Ihrem Spiegelbild: Und sagen sich voller Demut: „Ich kann einfach nicht aufhören mich selbst zu bewundern“ :-)
Und dann machen Sie nach dieser Zeit ebenfalls eine ehrliche Bestandsaufnahme: „Ist Ihr Leben erfüllter oder leerer geworden? Fühlen Sie sich zufriedener oder frustrierter? Sind Sie Gott näher gekommen oder fühlen Sie sich isoliert?“
Ich habe von einer christlichen Jugendgruppe gelesen, deren Leitergruppe sich 6 Monate zum Dienen wie Jesus entschlossen hat. Nach Ablauf der sechs Monate war diese Gruppe von ein paar Jugendlichen auf ein paar Hundert Jugendliche angewachsen.
Und was ebenso wichtig war: Ihre Herzen waren um ein Vielfaches größer geworden: Sie brachten Gott und den Menschen viel mehr Liebe entgegen als vorher.
Das Dienen hatte einen positiven Effekt auf ihr eigenes Leben.
Wollen wir gemeinsam diesen Weg des Dienens gehen?
Noch auf einen Einwand möchte ich eingehen, bevor ich zum Schluss komme:
Dienen bedeutet nicht, sich das Heil zu ver- dienen – das ist unmöglich! Es ist ein Geschenk, das Jesus uns am Kreuz erworben hat und das wir im Glauben annehmen können.
Und auch das Wachstum im Glauben ist ein Geschenk und doch:
„Ich bin für mein geistliches Wachstum selbst verantwortlich.“
Allein ich entscheide, ob ich diene und dadurch geistlich wachsen werde!
Aber auch bei dieser Entscheidung wirkt Gott: Er hilft mir – er stubst mich an – er macht mir Mut. Er hat mich begabt. Er stellt mir liebe Schwestern und Brüder im Glauben an die Seite.
Und er wirkt in mir durch seinen Heiligen Geist: Die Gute Nachricht lautet deshalb: Gewöhnliche Menschen können so leben und dienen – durch den Heiligen Geist.
Schluss
Auf diesem Weg des Dienens werden wir sicher auch immer wieder Scheitern und um Vergebung bitten müssen.
Ich z.B. habe in der letzten Woche mal einen kleinen Selbstversuch im Dienen gemacht und meine Dienstmöglichkeiten genau betrachtet. Da ist noch viel Luft nach oben wie man so schön sagt… :-)
Tröstlich sind mir die Worte Martin Luthers geworden:
"Dieses Leben ist keine Frömmigkeit, sondern ein Fromm-Werden.
Keine Gesundheit, sondern ein Gesund-Werden.
Kein Wesen, sondern ein Werden.
Keine Ruhe, sondern ein Üben. Wir sind es noch nicht; werden es aber."
Auch wenn nicht jeder die große Gabe des Dienens hat – dürfen wir darauf vertrauen, dass schon kleine Schritte eine große Bedeutung haben können und dass Gott uns durch seinen Geist verändern kann.
Denn Gott will uns dienen, damit wir ihm und den Menschen dienen können.
Darum meine Bitte und Aufforderung zum Schluss:
Trainieren Sie ihren Dienst- und Liebesmuskel bereits an diesem Sonntag und in den Tagen und Wochen die kommen – geben Sie nicht auf als wenn Sie ein Instrument oder eine Sprache lernen würden – am besten Sie halten 6 Monate lang durch – wie die Jugendleiter – eine Erinnerungshilfe kann so ein >>Trainierstein sein, den es am Ausgang gibt.
Und am besten werden sie gleich konkret:
Schenken Sie doch gleich im Kirchcafé den anderen zuerst ein. Achten sie auf die Bedürfnisse der anderen und Sie werden sehen: Der Dienst im Kleinen begegnet uns jeden Tag!
In Familie und Nachbarschaft gibt es unzählige Trainingsmöglichkeiten für den christlichen Dienstmuskel.
Wäre es nicht toll, wenn in Apostel immer mehr der Geist des Dienens einzöge – der Geist des Füreinander-da-seins?
Ein mögliches Morgengebet könnte vielleicht zu Ihrem werden:
„Herr Jesus, ich würde mich freuen, wenn du mir heute jemanden schicken würdest, dem ich dienen kann.“
AMEN.