Ich habe etwas mitgebracht.
Einen Wegweiser.
So ein Wegweiser ist ein tolles Ding.
Es gibt richtig schöne, die man angucken kann und vielleicht sogar fotografiert, weil sie so schön sind,es gibt Wegweiser, die aus Holz sind, es gibt welche aus Plastik oder aus Emaille.
Dieser hier ist nur aus Pappe und wird wahrscheinlich nicht lange überleben.
Und vielleicht sind euch schon mal die Wegweiser aufgefallen, die ab dem Strucksbarg oben aufgestellt sind und auf denen „Apostelkirche“ steht.
Egal wie so ein Wegweiser aussieht und egal, was ihn von anderen seiner Art unterscheidet, alle Wegweiser haben eins gemeinsam:
sie sollen uns helfen, unser Ziel zu finden.
Dabei ist es natürlich nett, wenn das auf optisch ansprechende Weise geschieht, letztlich aber nicht notwendig, um das Ziel zu erreichen.
Stellt euch vor, jemand ortsfremdes möchte zu uns in die Kirche. Und er steht oben am Strucksbarg und sieht den Wegweiser, und dann fällt ihm auf, wie schön der eigentlich ist.
Und er fängt an, ihn intensiver zu untersuchen, ab und zu bleiben noch andere Leute stehen, die sich von ihm ebenfalls für den Wegweiser begeistern lassen.
Und er beginnt, einen Aufsatz über ihn zu schreiben und der Wegweiser wird zu einem wichtigen Element in seinem Leben.
Das Problem, das dieser Mensch hat, ist, dass er niemals hier ankommt.
Er bleibt beim Wegweiser hängen.
Ich glaube, so ähnlich ist es auch mit den Wundern, die Gott tut.
Wunder sind Zeichen, Wegweiser, die uns näher zu Gott bringen sollen.
Sobald wir anfangen, Wunder-Experten zu werden, die das Ziel und den Weg aus den Augen verlieren, haben wir verloren und kommen nicht mehr an!
Es ist also wichtig, jedes Wunder als Zeichen und Wegweiser zu hören und zu lesen,
das uns auf unserem Weg zu Gott weiterbringen will.
Dabei ist es ganz normal, dass wir bei dem einen Wegweiser länger, bei dem anderen kürzer verweilen, weil der eine vielleicht deutlicher in eine bestimmte Richtung weist als der andere.
So, wie es unterschiedliche Wegweiser gibt, gibt es auch unterschiedliche Wunder.
Es gibt im NT z.B. Heilungswunder und Totenerweckungen;
Es wird von Exorzismen berichtet, bei denen böse Geister aus Menschen ausgetrieben werden;
es gibt Rettungswunder (wie zum Beispiel der sinkende Petrus, von dem wir beim letzten AGD gehört haben), und es gibt die so genannten Geschenkwunder bei denen überraschend materielle Güter bereitgestellt werden.
Und um genau so ein Wunder geht es heute.
Ich lese aus dem Johannesevangelium:
Zwei Tage darauf wurde in dem Dorf Kana in Galiläa eine Hochzeit gefeiert.
Maria, die Mutter Jesu, war dort, und auch Jesus hatte man mit seinen Jüngern eingeladen.
Während des Festes stellte sich heraus, dass der Wein nicht ausreichte.
Da sagte Maria zu ihrem Sohn:
«Es ist kein Wein mehr da!»
Doch Jesus antwortete ihr:
«Was kommst du mit solchen Dingen zu mir!
Die Zeit zu helfen ist für mich noch nicht gekommen!»
Trotzdem sagte seine Mutter zu den Bediensteten: «Was immer er euch aufträgt, das tut!»
Nun gab es im Haus sechs steinerne Wasserkrüge.
Man benutzte sie für die vom jüdischen Gesetz geforderten Waschungen.
Jeder von ihnen fasste achtzig bis hundertzwanzig Liter.
Jesus forderte die Leute auf:
«Füllt diese Krüge mit Wasser!»
Und sie füllten die Gefäße bis zum Rand.
Dann ordnete er an:
«Jetzt bringt dem Küchenchef eine Probe davon!»
Dieser probierte den Wein, der vorher Wasser gewesen war.
Er wusste allerdings nicht, woher der Wein kam. Nur die Diener wussten Bescheid.
Da rief er den Bräutigam zu sich und sagte vorwurfsvoll:
«Jeder bietet doch zuerst den besten Wein an! Und erst später, wenn alle schon genug getrunken haben, kommt der billigere Wein auf den Tisch.
Aber du hast den besten Wein bis jetzt zurückgehalten!»
Dieses Wunder geschah in Kana.
Dort in Galiläa zeigte Jesus zum ersten Mal seine göttliche Macht.
Und seine Jünger glaubten an ihn.
Die Hochzeit zu Kana, wohl eins der bekanntesten Wunder, die Jesus getan hat.
Und ein Wunder, das vielleicht nicht so ganz einfach zu verstehen ist.
Warum tut Jesus das?
Was soll hier auf Gott hinweisen?
Was soll hier deutlich werden?
Und:
War Jesus der Erfinder der ersten Flatrate-Party?
Ich glaube, was dieses Wunder so schwierig macht, ist die Zweischneidigkeit.
Das erste Wunder, das Jesus tut, und dann gleich ein Partywunder!
Und es geht hier ja nicht darum, dass irgendjemand ohne Geschenk kam, weil er kein Geld hat, und Jesus ihm dann einen Strauß Blumen für das Brautpaar in die Hände legt,
obwohl weit und breit keine Gärtnerei war.
Sondern es geht darum, dass auf eine Feier, bei der schon ordentlich Stimmung war,
(denn wir können davon ausgehen, dass die Gastgeber nicht nur fünf Flaschen Wein da hatten)
Jesus für Nachschub sorgt.
Und zwar nicht, weil er der einzige war, der noch nichts getrunken hatte und deswegen noch zur Nachttankstelle fahren konnte, sondern er hat durch ein echtes Wunder,
durch ein göttliches Zeichen dafür gesorgt.
Gott hat dafür gesorgt, dass die Party weitergehen konnte.
Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen.
Oft ist es ja leider so, dass uns Christen eine nicht allzu große Fröhlichkeit und Lockerheit nachgesagt wird.
Oder, um es mal mit Nietzsche zu sagen:
„Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen,
wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.“
Und er weiß, wovon er spricht, denn er ist in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen.
Für viele Menschen scheinen sich konsequente Nachfolge und freudige Lockerheit tatsächlich auszuschließen.
Dass Gott sich freut, wenn wir feiern und es uns gut gehen lassen, ist für sie unvorstellbar.
Ehrfürchtige Dankbarkeit ist angesagt, aber nicht ausgelassene Feierstimmung.
Deswegen kann dieses Wunder stören.
Und vielleicht hofft der ein oder die andere, dass es gar nicht so passiert ist, weil uns ja schließlich nur Johannes davon berichtet.
Aber er berichtet davon.
Jesus ist mit seiner Mutter und seinen Freunden auf dieser Hochzeit.
Meistens war es so, dass Hochzeitsfeiern damals mehrere Tage dauerten und das ganze Dorf eingeladen war.
Und dass hier ziemlich viele Leute dabei waren, kann man daran erkennen, dass das ganze Wasser, das für die rituellen Reinigungen benutzt wurde, ausgeschöpft war.
Die sechs Krüge, die jeweils um die 100 Liter fassten, waren ziemlich leer, sonst hätten die Diener sie nicht füllen können.
Und Jesus ist mitten dabei.
Stellt euch mal vor, Jesus würde heute wiederkommen.
Würdet ihr ihn als erstes bei einer Party auf der Reeperbahn oder beim Schützenfest am Schwarzenberg suchen?
Ich wahrscheinlich nicht, sondern vielleicht eher im Michel oder einer anderen Hauptkirche, oder vielleicht sogar hier in unserer Kirche, aber auf jeden Fall an einem seriösen, geistlichen Ort.
Zum Glück denkt Gott nicht so wie wir.
Sein erstes öffentliches Wunder geschieht mitten im Leben bei einem gesellschaftlichen Großereignis.
Jesus ist mittendrin statt nur dabei!
Mir geht es so, dass ich häufig vergesse, dass er auch mitten in meinem Leben ist und sein will.
Ob es mir schlecht geht oder ob ich mich freue, er ist da.
Und er wünscht sich, dass ich ihn teilhaben lasse.
Ich merke, dass ich ganz viel Kontakt zu ihm hab, wenn ich mich nicht so gut fühle.
Wenn es mir schlecht geht und ich Hilfe brauche. Dann nehme ich mir Zeit für Gott.
Aber wenn es mir richtig gut geht, oder wenn ich tatsächlich feiern gehe, dann denke ich selten an Gott.
Und irgendwie gehe ich auch nicht so richtig davon aus, dass er dabei ist.
Vielleicht würde so manche Feier aber anders ablaufen, wenn ich mir das bewusst mache.
Wenn ich mir bewusst mache, dass Gott sich mit mir freut und mit mir feiern möchte.
Und zwar nicht als miesepetriger Aufpasser, der die Gläser Wein mitzählt, die ich im Laufe des Abends vielleicht trinke, sondern als derjenige, der meine Freude noch größer werden lässt. (Und vielleicht brauch ich dann gar nicht mehr so viel Wein, um tolle Stimmung zu haben)
Denn natürlich gibt es auch eine Grenze.
Ich glaube nicht, dass Gott sich darüber freut, wenn Teenies tatsächlich Flatrate-Parties feiern, bei denen so viel getrunken wird, bis nichts mehr geht.
Und wenn Leute morgens aufwachen und nicht mehr wissen, was genau sie am Abend vorher getan und gesagt haben, oder es vielleicht erinnern, aber das dann nicht unbedingt Freude erzeugt, dann ist da was im Ungleichgewicht.
Es ist sicherlich gut, sich immer mal wieder zu fragen, warum und wie man feiert.
Denn die Gefahr, dass das Feiern zu einer Ersatzbefriedigung wird, ist bestimmt nicht gering.
Aber grundsätzlich ist feiern wichtig!
Denn durchs Feiern drücken wir unsere Lebensfreude aus.
Und ich bin davon überzeugt, dass Gott sich für uns wünscht, dass wir ab und zu mal so richtig abfeiern können.
Weil wir Grund dazu haben.
Weil er uns liebt und wir in Ewigkeit mit ihm Gemeinschaft haben dürfen.
Und wenn das kein Grund zum Feiern ist!
Ich weiß nicht, ob ihr euch auch ab und zu die Frage stellt:
„Was würde Jesus jetzt tun?“
Das kann manchmal ganz hilfreich sein.
Und vielleicht denkt ihr beim nächsten Mal daran, dass er uns Freude schenken will.
Ich war mal während einer Wochenendtour mit meinem Kurs aus der Ausbildung mit einem Freund in einer kleinen Disko.
Es war irgendwo auf dem Land, die Disko war voll von Einheimischen, und als wir den Raum betraten fiel einigen vor Staunen die Forke aus der Hand.
Es war also eine echte Dorfdisko, in der Fremde nicht besonders willkommen waren,
sondern nur geduldet wurden.
Und mein Freund und ich holten uns ein Getränk, setzten uns an einen Tisch und ertrugen die schlechte Musik.
Irgendwann guckten wir beide uns an und ich fragte ihn:
„Was würde Jesus wohl jetzt machen?“
und er antwortete: „Tanzen!“
Und genau das taten wir dann auch!
Jesus gibt uns Grund zur Freude.
Er animiert uns regelrecht, unser Leben auch zu genießen.
Und das ist eine ganz wichtige Zusage und Aufforderung in Zeiten von immer stärker werdenden Ängsten,
immer mehr Menschen mit Depressionen und immer düstereren Zukunftsprognosen.
Könnt ihr diese Freude spüren?
Könnt ihr sie zulassen?
Mir sind noch zwei Dinge aufgefallen, die passieren, bevor dieses Freude spendende Wunder geschieht. Zwei Dinge, die mir wieder neu bewusst geworden und für meine Beziehung zu Gott und die damit verbundene Freude wichtig geworden sind.
Als klar wird, dass kein Wein mehr da ist (was für den Gastgeber ziemlich peinlich ist),
kommt Jesus Mutter zu ihm und schildert ihm die Situation.
„Es ist kein Wein mehr da.“
Viel mehr sagt sie nicht.
Und wenn es eine Aufforderung an ihren Sohn war, dann vielleicht nicht mal, dass er ein Wunder tun soll, denn sie hatte ja bis dahin auch keine Ahnung, wie genau das Wirken Jesu aussehen würde.
Sie wusste nur, dass er Gottes Sohn ist.
Aber Jesus scheint in Marias Satz mehr zu erkennen als wir, und er weist sie nicht besonders freundlich zurück.
„Was kommst du mit solchen Dingen zu mir?“
Man könnte auch sagen:
„Oh, Mama, lass mich in Ruhe! Was ich mache und was nicht geht dich nichts an!“
Vielleicht war Maria als Mutter gekränkt, aber ich glaube trotzdem, dass diese Zurechtweisung durch Jesus total wichtig war.
Denn es geht ihm nicht darum, was Menschen von ihm erwarten, sondern darum, was Gott sagt und tut.
Das Handeln Jesu wird nicht von Menschen bestimmt, sondern basiert allein auf Gottes Willen.
Diese Erkenntnis bewahrt mich davor, Gott als Wunschmaschine zu missbrauchen, und sie hilft mir dabei, Dinge in meinem Leben anzunehmen und zu akzeptieren, die mir nicht gefallen und die ich persönlich anders haben möchte.
Gott ist mittendrin, auch in diesen Situationen.
Maria nimmt das auch erst mal so hin, gibt aber den Dienern den dezenten Hinweis,
dass sie alles tun sollen, was Jesus sagt.
Und damit gibt sie indirekt auch uns diesen Rat.
Und wir können am Wunder sehen:
das Großartige passiert, weil die Leute das tun, was Jesus sagt.
Auch wenn es total bescheuert klingt.
Die Party kann deswegen weitergehen, weil die Leute bereit sind, auf Jesus zu hören.
Es geht im Glauben nicht immer darum, alles zu verstehen, sondern Glauben bedeutet auch, Gottes Willen zu tun, weil wir ihm vertrauen!
Und ich bin davon überzeugt, dass wir Gott nur dann näher kommen, und uns seine tiefe und befriedigende Freude nur dann wirklich ergreift und erfüllt, wenn wir uns immer wieder darauf einlassen.
Und dann begreifen wir vielleicht irgendwann mit Kopf und Herz das, was dieses Wunder schon so offensichtlich andeutet, mir aber bis zu dieser Predigt nie bewusst aufgefallen ist:
Das Wasser, aus dem Jesus Wein macht, ist das Wasser, das für die Reinigung verwendet wurde.
Die Reinigung war ein Ritus, der den Juden vorgeschrieben war.
Nicht wie heute aus hygienischen Gründen „Vor dem Essen Hände waschen nicht vergessen“, sondern ein religiöser Akt.
Dafür steht hier das Wasser.
Und wenn Jesus aus diesem Wasser Wein macht, dann hat das eine ganz starke Symbolik,
denn wie wir vom Abendmahl wissen, symbolisiert der Wein das Blut Christi, das uns von unserer Schuld frei macht, so zu sagen reinigt.
Das Blut, das uns von Zwängen frei macht und von der Angst, nicht vor Gott bestehen zu können.
Und das wird zur Freude der Hochzeitsgäste geschenkt.
Die Party kann weiter gehen.
Es gibt kein Ende!
Das Leben mit Gott beginnt hier auf der Erde und wird nach unserem Tod noch viel besser.
Der Wein, den wir hier trinken, ist wahrscheinlich Tetrapack im Vergleich mit den teuren Jahrgängen, die wir im Himmel bekommen werden.
Den Reinigungskult braucht es nicht mehr;
Die alte Angst ist zu ende, Freiheit und Freude sind angebrochen!
Echte Freiheit und echte Freude, die nur von Gott kommen kann!
Zum Abschluss noch eine kleine Geschichte:
Im Religionsunterricht erzählt der Lehrer von der Hochzeit zu Kana:
"600 Liter Wein von bester Qualität bekamen die Gäste zu trinken, was glaubt ihr, haben die Leute dazu gesagt?"
Ein Schüler antwortet: "Den laden wir auch ein!"
Das ist bestimmt die einzig angemessene Reaktion auf Jesus!
Und bestimmt wollte der Evangelist genau diese Reaktion bei seinen Lesern hervorrufen.
Und genau in diese Richtung kann uns das Wunder führen:
Wir hören es und unsere Reaktion, unser Schritt zu Gott ist:
Den lade ich auch ein!
Jesus will in unser Leben eingeladen werden.
Und manchmal ist er einfach dabei, wie ein ganz normaler Gast unter vielen.
Doch er bringt das, was uns genau in diesem Moment am meisten fehlt.
Und er lässt uns daran Freude haben.